Mauretanien Teil 2

Nachdem wir uns den ganzen Tag über die letzten 150 Kilometer durch tiefen Sand und über steinige Abschnitte gekämpft haben, kommen wir endlich gegen 18 Uhr in Atar an. Nur noch durch die Stadt fahren bis zum Camping Bab-Sahara. Das wäre zumindest der Plan gewesen. Leider entscheidet sich ein Esel am Karren aber plötzlich, nach Links auszubrechen und läuft voll in den Gegenverkehr rein. Trotz Vollbremsung erwischt ihn Martin. Fazit: Auto hat eine Beule im Kotflügel und eine verzogene Motorhaube. Der Esel steht zwar wieder auf, aber leider nur noch auf drei Beinen. Shit, armes Tier. Natürlich grad riesen Tumult um uns rum. Ein älterer Herr, der recht gut französisch spricht und alles gesehen hat, versichert uns zwar, dass Martin nicht schuld ist und macht das auch lautstark allen klar. Wir versuchen da wegzukommen in dem wir sagen, dass wir nichts wollen für den Schaden am Auto. Und der arme Esel ist nicht Martins Schuld. Es wird trotzdem die Polizei geholt, denn hier in Mauretanien mache man alles korrekt. Der Polizist, der eigentlich von Anfang an schon dabei ist, sich aber mittendrin umzieht und plötzlich eine Uniform anhat, ist aber ein bisschen hilflos, was er denn nun machen soll. Iiiiirgendwann nach viel warten und rumtelefonieren kommt dann einer mit einem Massband und erstellt eine minutiöse Skizze. Nach einigem Hin und Her werden wir dann endlich erstmal entlassen. Mit der Anweisung, am nächsten Tag um neun Uhr auf dem Polizeiposten zu erscheinen, um alles aufzunehmen. Na denn. Ziemlich übermüdet beziehen wir Quartier auf dem Campingplatz. Just, der Besitzer ist offenbar eine richtige Institution hier. Praktisch jeder, der mit dem Offroader durch Afrika fährt, macht bei ihm Halt. Dies ist denn auch das erste Mal seit einer guten Woche, dass wir andere Touristen in Mauretanien sehen. Auch mal wieder schön, sich bissel austauschen zu können. Aber noch viel schöner ist natürlich die Dusche!

Wir entscheiden uns, dass ich mit meinem fliessenden Französisch *räusper* Martin als Dolmetscherin begleite. Caro und Marcel bleiben derweil auf dem Camping und kümmern sich um Wäsche und sonstiges Haushaltzeugs. Pünktlich um neun sind wir auf dem Posten und oh Wunder, der Besitzer vom Esel kommt auch gerade an und der Polizist von gestern ist auch schon da. Diese Pünktlichkeit hätte ich jetzt nicht erwartet. Aaaaaaber der Chef, der fehlt noch. Der wird nun erstmal angerufen und es heisst warten. Ein Bett wird kurzerhand auf die Veranda gestellt, damit wir uns setzten können und irgendwann wird sogar noch Tee und Brot gereicht. Doch gut ist Ramadan vorbei. Erst kriegen zwar nur die Männer Tee. Bin ich ja schon ein bisschen beleidigt. Aber nein, es hatte einfach zu wenig Gläser. Nachdem der Polizist ausgetrunken hat, wird das Glas einfach nochmals gefüllt und mir hingestellt. Öhm ja, bin ja nicht heikel…

So gegen zehn taucht dann der Chef auf und bittet uns in sein Zimmer. Wir müssen erzählen, was genau passiert ist. Dann kommt der Eselbesitzer dazu, auch er muss erzählen und mit hundeblick sagt er, dass der Esel tot ist. Haben wir nicht anders erwartet, wir haben gestern schon vermutet, dass er sich etwas gebrochen hat. Armer Esel *seufzg*. Wir beteuern, dass uns das natürlich sehr leid tut aber dass wir nichts dafür können. Das Auto hat schliesslich auch einen Schaden. Ja gut, das sei ja nur eine kleine Sache zum Reparieren, aber der Esel sei schliesslich tot. Nun geht es hin und her. Es gibt zwei Varianten. Entweder der Fall geht vor die Justiz und Martins Versicherung muss zahlen. Oder wir finden eine Einigung mit dem Eselbesitzer. Die Polizei mische sich da natürlich nicht ein, habe aber nichts gegen eine Abmachung und würde dann alles fallenlassen. Das wäre halt sicher praktisch für uns, weil dann könnten wir weiter. Da wir keinen Plan haben, was es für Martin bedeutet, wenn der Fall zur Justiz weitergeht, ist uns natürlich an einer Einigung gelegen. Der Besitzer fordert 3000 Geld (etwa 75 Euro) für den Esel. Zähneknirschend handeln wir einen Preis von 50 Euro aus. Für den Schaden am Auto kriegt Martin natürlich nix. Also gut, Fall erledigt. Denkste. Nun muss der Polizeichef noch den Justizchef (was auch immer das ist) anrufen und fragen, ob das so in Ordnung geht. Also wieder warten. In der Zwischenzeit fällt dem Möchtegernanwalt des Eselbesitzers (wir haben keine Ahnung was der Typ wirklich für eine Funktion hatte, wir nennen in mal so) aber noch ein, dass wir uns versichern müssen, dass der Esel wirklich tot ist. Nein nein nicht nötig, wir glauben das. Doch wir müssen das sehen. Er unterstellt mir dann grad noch, dass ich das nur nicht wolle, da ich zartbesaitet sei und weinen würde. Vollpfosten. Ui mit dem Trottel hätte ich mich streiten können. Aber nein, ich bin brav. Na gut, dann gehen wir halt toten Esel gucken. Wir steigen also zu fünft in das Auto vom Möchtegernanwalt ein, Martin und ich schon etwas blass um die Nase. Nein, nicht wegen der Aussicht auf den toten Esel. Aber in einer mauretanischen Blechkiste durch die Stadt gefahren zu werden, ist wohl das gefährlichste, was wir in diesem Urlaub machen werden. Mercedes hin oder her. Aber nützt ja nix, also los. Also nein moment, zuerst noch kurz zum nächsten Reifenhändler und bissel Luft auffüllen, denn ein Reifen ist platt. Kleines Detail. Aber nun ab zum Esel. Martin und ich haben erwartet, dass wir in einen Schlachthof geführt werden. Nö, wir fahren zur Unfallstelle, da liegt der tote Esel am Strassenrand. Herr Polizeichef fragt, ob wir den Esel gesehen haben. Ja danke haben wir. Also wieder zurück zum Polizeiposten. Dort ist der Anruf vom Justizirgendwas immer noch nicht eingetroffen. Nochmals warten. Irgendwann wird es dem Chef dann doch zu bunt. Wenn ich auf einen Zettel schreibe, dass wir eine Einigung gefunden haben und dass wir ganz freiwillig und ohne dass uns jemand unter Druck gesetzt hat dazu bereit sind, den Eselbesitzer zu entschädigen, dann könnte er uns gehen lassen. Selbstverständlich machen wir das. Bloss weg von hier. Aber halt, dafür braucht es ja Papier. Gibt es hier aber nicht. Also muss der Chef erst einen losschicken, um ein Blatt Papier zu organisieren. Args. Derweil versucht der Polizeichef mit uns etwas Smalltalk zu betreiben. Über Fussball. Voll mein Thema und Martin ist auch nicht grad eine Hilfe 😉. Verzweifelt versuchen wir, ein paar Namen, die uns grad einfallen auszugraben. Aufgabe vor der nächsten Reise, Fussballernamen lernen… Irgendwann ist dann das Papier da. Ich schreibe mit meinem lupenreinen Französisch was auf und muss dem Chef vorlesen, was ich geschrieben habe. Der ist einverstanden, Martin unterschreibt und nach etwas drei Stunden sind wir endlich entlassen. Nur noch das Geld an den Eselbesitzer überreichen und wir haben’s geschafft. Und Martin und ich sind um eine sehr spezielle Erfahrung reicher 😉.

Den Nachmittag verbringen wir mit Putzen, Aufräumen, Nichtstun und vor uns hin schwitzen auf dem Campingplatz. Die Temperatur ist nun tagsüber bei an die 40 Grad. Gemäss Vorhersagt wird es in den nächsten Tagen bis 43 Grad *schwitz*. Als die Hitze am späteren Nachmittag etwas erträglicher wird, machen wir einen Spaziergang auf den Markt. Nebst Brot und Früchten finden wir sogar noch einen echt gut sortierten Supermarkt mit einem auf europäische Touris ausgerichteten Sortiment. Und wem laufen wir sonst noch in die Arme? Natürlich dem Eselbesitzer. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob er sich da einen neuen Esel oder doch lieber ein neues Handy kaufen wollte. Aber immerhin hat er Martin nett mit Handschlag begrüsst. So macht man sich Freunde…

Am nächsten Morgen geht es nach dem Volltanken ab nach Osten. Das Ziel ist ein altes französisches Fort, das vor ein paar Jahren nach einem Attentat aufgegeben worden ist. Gemäss Reiseführer sollten wir je zwei Tage hin und zurück brauchen. Die Fahrt ist zuerst etwas eintönig, bis wir zu einer grossen Salzpfanne kommen. Das war recht cool, da drüberzubrettern. Und schnell fahren musste man gemäss Martin, damit man schneller wie der Rost ist. Oder so… 😉

Weiter geht es entlang eines grossen Wüstengebietes. Mega schön, links die farbigen Sanddünen und rechts die schwarzen Berge.

Gegen vier reicht es uns dann und wir suchen uns einen superschönen Platz hinter einer Düne für unser Camp. Obwohl wir mitten im Nirgendwo sind, dauert es natürlich nicht lange, bis der erste Nomade auf dem Kamel angeritten kommt. Caro darf auf seinem Kamel reiten, dafür bekommt er von uns eine Flasche Wasser, ein Schoggistängeli und eine Schachtel Tee. Und einen Plastiksack, weil Kamel hat keinen Kofferraum. Am nächsten Morgen kommt natürlich auch noch der nächste und fragt nach Geschenken. Na gut, ein Schoggistängeli können wir noch erübrigen. Wundert mich ja schon, woher die jeweils kommen aber nun gut, wenn man so waahnsinnig abgelegen wohnt, dann nutzt man verständlicherweise jede Gelegenheit.

Am zweiten Tag ändert sich die Landschaft dann erstmal etwas. Die Strecke führt durch eine riesige Pfanne und über einen sehr steinigen Pass.

Unsere Autos meistern das gut und oben machen wir uns auf die Suche nach Pfeilspitzen. Die soll man in der Gegend zuhauf finden. Wir finden dann in der Tat ein paar angefangene Exemplare.

Weiter geht es zum nächste Dünengebiet. Der Track geht eigentlich rechts weg, alle Fahrspuren führen aber links, vermeintlich am Rand der Dünen entlang. Fahren wir mal da. Irgendwie werden die Dünen aber immer höher, es geht zwar gut zum fahren aber nach ein paar Kilometern ist uns dann doch nicht mehr so wohl, dass wir da mitten in den Dünen sind. Erstmal Mittagspause machen und beratschlagen. Wir fahren wieder zurück und suchen einen anderen Weg. Also alle mal drehen und auf der gleichen Spur zurück. Das funktioniert auch ganz gut, bis zum letzten Hügel. Dort ist der Sand in der Spur wahnsinnig weich und ich fahre mich kurzerhand mal schnell fest. Da es wirklich scheisse heiss ist, ist so eine Fahrzeugbergung kein Spass. Erstmal geschlossene Schuhe anziehen, sonst verbrennt man sich grauselig die Füsse. Auch Panja kriegt Mittags Schuhe verpasst, damit sie sich die Pfoten nicht verbrennt. Aber zurück zur Bergung. Kommen die Sandbleche schon wieder zum Einsatz. Luft ablassen und los geht es. Ich komme den Hügel hoch und warte auf Martin. Das dauert dann auch nochmals ein bisschen, bis er oben ist. Aber immerhin kann er seine Sandboards auch mal ausprobieren. Nachdem wir den richtigen Track finden, geht es den Dünen entlang bis zum Fort.

Ein paar Fotos machen und dann ab auf den südlichen Weg zurück. Sehr weit kommen wir nicht, im ersten Flussbett bleiben wir schon wieder stecken. Gepennt, falscher Gang also wieder Buddeln. Pfffffffffffffft. Wenigstens sind wir nun wieder wach und überstehen die Fahrt durch das sandige Tal ohne weiteres Buddeln. Bleibt also etwas Zeit um Pause zu machen und Felszeichnungen zu suchen.

Das Camp schlagen wir in einer kleinen Senke am Rande der Dünen auf. Mal wieder ein super schöner Spot und man glaubt es kaum, die zweite Übernachtung in Mauretanien, ohne zwei- oder vierbeinigen Besuch 😊. Gut nein stimmt nicht ganz, wir sehen sogar einen Wüstenfuchs. Zwar leider etwas weit weg, deshalb gibt es keine Fotos. Aber wir freuen uns trotzdem, dass wir endlich einen gesehen haben.

Tag drei führt uns zum Auge Afrikas. Auf Google Maps ist es gut zu sehen, vor Ort sieht man ohne Drohne aber nicht allzu viel. Wir entscheiden uns deshalb, nicht durch das Auge zu fahren, da es viel Tiefsand hat und man nicht einfach den gleichen Weg wieder zurückfahren kann, falls man nicht durchkommt. Wir umfahren das Auge grossräumig, allerdings ist auch dieser Weg recht anstrengend. Zuerst führt der Track durch nervige Büschelgradfelder, dann durch Steinfelder. Fahrspuren gibt es keine, die ungefähre Richtung einschlagen und einen Weg suchen, heisst die Devise.

Endlich auf einer Piste angekommen, wird es dann aber erst richtig mühsam. Abwechselnd Wellblech und Tiefsand. Beim ersten grösseren Tiefsandfeld schaffen wir es sogar, beide Autos grad nebeneinander zu versenken. Prima. Immerhin wissen mir mittlerweile, wie das mit den Sandblechen funktioniert… Zur Belohnung für die Buddelei, gibt es dann erstmal Mittagessen mit Blick in das Auge Afrikas.

Auf dem weiteren Weg kommen wir an Oudane vorbei. Diese alte Handelsstadt, könnte man besichtigen. Aufgrund der unglaublichen Hitze, lassen wir das aber bleiben und machen uns auf den sehr schönen letzten Abschnitt durch Dünenfelder bis zum wiederum wundervollen Übernachtungsplatz. Auch heute gibt es keinen Besuch in der Nacht und am Rand einer Sanddüne haben wir einen wunderschönen Blick in die Ebene.

Durch diese Ebene geht es dann am letzten Tag. Vorbei an kleinen Nomadendörfern, über sandige Büschelgrasfelder, bis wir plötzlich wieder auf eine offenbar sehr stark befahrene Piste treffen. Wo auch immer die jeweils plötzlich herkommen. Heute sind wir dankbar dafür, denn die sandige Piste ist echt cool zu fahren, wie auf einer Bobbahn, und es geht zügig voran. Bis wir kurz vor Chinguetti wieder durch ein sandiges Qued müssen. Arbeit für die Autos. Vor allem Martins Toyota mag das nicht ganz so gerne.

In Chinguetti angekomme,n werden wir dann sofort von einem Führer und mehreren Frauen belagert. Chinguetti wird als 7. heiligste Stadt des Islam angeschaut und war früher eine wichtige Handelsstadt für die Karawanen. Vor ein paar Jahren wurde die Altstadt unter einer drei Meter dicken Sandschicht ausgegraben. Die Mosche wurde in diesem Zug renoviert, wir dürfen aber nur von der Schwelle aus einen kurzen Blick in den Hof werfen. Eine weitere Besonderheit sind die vielen Bibliotheken. Eine davon besichtigen wir und ein ältere Herr erzählt uns etwas über die Hintergründe und zeigt uns ein paar alte Exemplare der noch erhaltenen Bücher. Wir versuchen seinem Französisch zu folgen und schwitzen derweil vor uns hin, obwohl der Raum eigentlich angenehm «kühl» und im Schatten ist. Anschliessend müssen Caro und ich noch zu ein paar Frauen in ihren Laden. Irgendwie haben sich die Verkäuferinnen selber nummeriert, in der Reihenfolge wer zuerst beim Auto war. Aisha ist Nummer 1, Leila Nummer 2. Problem ist, Caro will nix von Verkäuferin 1, ihr gefällt ein Armband von Verkäuferin 3. Das geht aber erst nicht, weil die eben erst an 3. Stelle drankommt. Riesenchaos und nachdem wir dann doch etwas Kleines gekauft haben, müssen wir fast die Flucht ergreifen. Ich verstehe ja, dass die Frauen nur versuchen Ihre Familien zu ernähren und das mit dem Tourismuseinbruch in Mauretanien sicherlich alles andere als einfach ist. Aber nervig ist es halt trotzdem.

Da wir alle ziemlich müde und überhitzt sind, entscheiden wir uns, nicht die Offroadstrecke nach Atar zu nehmen, sondern der Piste zu folgen. Da büssen wir allerdings erstmal mit 80 Kilometern übelstes Wellblech. Ürks.

Aber was macht man nicht alles für die Aussicht auf einen ruhigen Nachmittag auf dem Campingplatz mit Dusche und leckerem Nachtessen. Das haben wir uns wirklich verdient, bevor es morgen auf die berühmtberüchtigte Erzeisenbahnstrecke geht. Wir sind gespannt…

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