Mauretanien Teil 1

Auch wenn man überall liest, dass es eigentlich unkompliziert sei, aber halt seine Zeit dauert. Sicherheitshalber haben wir alles Unerlaubte gut versteckt und die Funkgeräte abmontiert. Gegen drei kamen wir dann an der Grenze an. Zum Glück nicht später. Denn nur schon die Ausreise aus Marokko hat sich ziemlich hingezogen. Wir hatten zwar grad auf Anhieb den richtigen Schalter gefunden und den Ausreisestempel erhalten. Dann ging es aber für den Toyota erstmal ab zum Röntgengerät und das dauerte… Hab ich so auch noch nie gesehen. In einer grossen Halle steht ein LKW mit einem Röntgengerät drauf. Jeder LKW und jedes grössere Auto wird da durchleuchtet. Ist alles i.O., wird noch ein Suchhund durch das Auto geschickt. Nix gefunden, also zurück zum Schalter und den Stempel für die Ausreise des Autos holen. Nachdem wir diesen Stempel dann gefühlte fünf Mal vorgezeigt hatten, waren sowohl wir als auch das Auto nach einer guten Stunde endlich ausgereist. Dann folgte ein Stück furchtbar schlechte Strasse im berüchtigten Niemandsland. Und dann waren wir an der mauretanischen Grenze. Dort mussten wir uns erst mal die ganzen Schlepper versuchen vom Hals zu halten. Wir haben es nicht ganz geschafft, denn irgendwann hatten wir doch einen im Schlepptau der uns natürlich meeeega geholfen hat 😉. Dann hiess es hier anstehen, dort anstehen, wieder den Suchhund ins Auto. Hier Visum kaufen, da Visum stempeln lassen, dort Autoversicherung kaufen. Und Skandal, dann war auch schon kurz vor Feierabend, was den letzten Beamte mit dem wichtigsten Stempel sichtlich genervt hat. Aber es ist wie’s ist und nach gut zwei Stunden haben wir auch das geschafft und sind offiziell in Mauretanien eingereist. Keine Sekunde zu früh denn hinter uns wurde die Grenze geschlossen. Schlüssel gedreht und fertig für heute. Öhm Glück gehabt, hätten wir sonst im Niemansland übernachten müssen….

Ach ja, ich habe noch ganz vergessen zu erwähnen, dass es während der ganzen Zeit immer mal wieder geregnet hatte. Und dann nicht nur so ein klitzekleines bisschen. Nö. Es hat geschüttet wie aus Kübeln. Wiedermal. Nachdem wir die ersten beiden Checkpoints passiert haben, sind wir auf den gemäss Beschreibung einzig passablen Campingplatz in Nouhadhibou gefahren. Wir fanden ihn supergemütlich. Wir konnten ganz nahe am Meer stehen und waren nicht mal alleine da.

Neben uns steht ein Van, mit einer jungen deutschen Familie. Zum Glück lässt dann auch der Regen nach und wir können draussen gemütlich essen. Sobald wir aber im Bett sind, fängt es wieder an zu schütten. Am nächsten Morgen sehe ich den Besitzer auf dem Dach des Hauses Wasser runterschaufeln. Im Haus selber tropft überall das Wasser von der Decke. Oups. Die Besitzerin war ziemlich besorgt um die Stabilität ihres Dachs und sie hat erzählt, dass es hier eigentlich nie regnet. Zumindest habe sie noch nie Regen gesehen, seit sie hier wohne. Wir haben uns deswegen entschlossen, unsere Pläne zu ändern und zuerst Richtung Süden zu fahren und nicht wie geplant über die Erzeisenbahnstrecke. Denn diese soll in diesem Jahr besonders schwierig zu fahren sein und nach Regen wollen wir lieber gar nicht erst versuchen herauszufinden, was das bedeutet.

Am nächsten Morgen geht es dann erst mal los in die Stadt. Wasser einkaufen, SIM-Karte kaufen und Geld abheben stehen auf dem Programm. Tja und was soll ich sagen, nun sind wir definitiv so richtig angekommen in Afrika und verstehen auch was der Reiseführere mit Achtung Kulturschock meint. Das ist ja vielleicht ein Gewusel auf den Strassen. Und was da alles so rumfährt? Wieder mehr Autos wie in Marokko aber Auto ist fast ein bisschen das falsche Wort. Das sind Bleckkisten auf vier (oder wahlweise drei…) Rädern.

Nachdem unsere Einkäufe erledigt sind, geht es weiter Richtung Süden. Unser Ziel ist der Nationalpark Banc d’ Arguin. Die Anfahrt ist schon mal toll, denn die Piste führt um erste kleine Sanddünen rum. Genau deswegen bin ich schliesslich nach Mauretanien gekommen. Sand. Teilweise müssen wir unseren Weg auch selber finden.

Danke dem Training von Mark meistern wir das gut und finden schon bald den Camping am Strand. Der ist zuerst zwar eine kleine Ernüchterung. Da stehen duzende Beduinenzelte am Strand und es sieht alles ein bisschen verlottert aus. Vermutlich sind diese für grössere Reisegruppen vorgesehen. Es sind aber keine anderen Touristen anwesend und sogar die Toilette funktioniert. Wir können unsere Autos einfach irgendwo am Strand hinstellen und ich habe mich natürlich in die erste Reihe gestellt. Welt wieder in Ordnung. Oder sagen wir mal fast, denn leider ist der Wind immer noch recht stark und zum Baden hat es uns deshalb grad so gar nicht angemacht. Obwohl der Strand superschön war. Selbst für einen ausgiebigen Strandspaziergang ist es uns zu windig. Oder wir zu faul. Wie auch immer.

Nach einem weiteren Frühstück mit viel Sand zwischen den Zähnen, geht es weiter in Richtung Hauptstadt Nouakchott. Dort angekommen, gibt es erstmal ein bisschen Weihnachten, denn wir finden einen richtigen Supermarkt. Zwar sauteuer für hiesige Verhältnisse aber bissel Luxus nach drei Wochen on the Road schadet ja nicht. Positiv überrascht von dem doch fast europäisch sauberen Neubaugebieten und dem wenigen Verkehr, erreichen wir rasch den Campingplatz am Strand. Und Wind und unruhige See hin oder her, ins unerwartet warme Wasser gehen wir heute trotzdem. Mindestens einmal muss also sein. Am Abend mache ich mit Panja einen Spaziergang zum nahegelegenen Fischerhafen. Da stehen ganz viele farbige Boote im Sand und einige liegen auf dem Meer vor Anker, ein tolles Fotosujet. Deshalb will ich am nächsten Morgen grad nochmals hin, um ein paar schöne Fotos zu machen. Farbige Boote gibt es aber kaum mehr am Strand. Irgendwie sind fast alle im Betrieb. Wir können dafür grad noch zuschauen, wie diese mit viel Manpowerunterstützung ausgelaufen sind.

Bevor unsere Tour weitergeht, müssen wir nochmals einen Bankomaten aufzusuchen, da wir wohl doch mehr Geld brauchen werden fürs Tanken, wie zuerst kalkuliert. Denn Mauretanien ist insofern speziell, dass es im ganzen Land nur eine Handvoll Bankomaten gibt, die ausländische Karten akzeptieren. Mit Karte zahlen ist schon grad gar nicht möglich. Euro wechseln soll zwar an vielen Orten möglich sein, aber da wir ja so ein blödes Differential kaufen mussten, ist der Euro Vorrat etwas dünner geworden. Drum also lieber nochmals Geld abheben. Damit wir nicht ins Gewühl der Stadt kommen, war der Plan einfach einmal quer durch auf der Hauptstrasse. Guter Plan, hat erst auch ganz gut funktioniert. Bis die Strasse nicht mehr existiert hat. Oder besser gesagt, anstatt der eingezeichneten Strasse ist da ein Eingangstor zur gigantischen chinesischen Baustelle. Auch hier sind sie also angekommen. Mitten in der Stadt führt unser Weg also plötzlich Offroad irgendwie über Baubrachen. Bis dann an der nächsten Kreuzung nix mehr geht. Bravo, mitten im grössten Gewusel gelandet. Selbst Kreuzungen mit Lichtsignal brauchen einen Polizisten mit Trillerpfeiffe, damit der Verkehr überhaupt einigermassen läuft. Iiiirgendwann haben wir dann die Stadt endlich hinter uns gelassen.

Auf der Strasse der Hoffnung geht es nun endlich westwärts. Durch unzählige Checkpoints hindurch. Checkpoints gab es ja bereits überall in Marokko. Dort wird man als Tourist meistens freundlich weitergewunken. Einzig bei den Militärpoints der Grenze entlang, wurden die Details aus dem Pass aufgenommen. Hier in Mauretanien ist es grad umgekehrt. Mit Ausnahme der LKWs dürfen die Einheimischen einfach durchfahren. Von den Touristen wird hingegen ein «Fiche» verlangt. Das ist ein Zettel, auf dem sämtliche Details von den Insassen und vom Auto draufstehen. Den macht man selber zu Hause und druckt ihn sich ganz viele Male aus. Nur eben wie viel ist viel Mal? Ich hatte irgendwie um die 70ig Kopien dabei. Nach Tag vier hatte ich noch 30 Stück. Öhm das könnte eng werden. Auch wenn wir bald die Strasse der Hoffnung verlassen und nicht mehr bei so vielen Ortschaften vorbeikommen. Denn normalerweise sind zwei Checkpoints vor den Ortschaften und zwei nacher. Warum zwei weiss kein Mensch, vermutlich einer von der Polizei und der zweite vom Militär oder sowas. Vorsorglich fange ich mal an, die Zettel zu halbieren und einen Teil mit Stift auf die Rückseite zu schreiben. Bei den Checks wird man ausserdem gefragt, woher man kommt und wohin man geht. Das sollte man besser sehr genau wissen. Sonst kann es passieren, das gleich noch eine Geographiestunde folgt. Aber normalerweise wird man recht schnell weitergewunken, nachdem man den Zettel abgegeben hat.

Da wir wissen, dass Mauretanien zu den am wenigsten besiedelten Ländern der Erde gehört, sind wir etwas erstaunt, dass sich an der Strasse der Hoffnung quasi ein Dorf an das nächste reiht. Es ist deshalb nicht ganz so einfach, eine passende Übernachtungsstelle zu finden. Und das Angebot an Campingplätzen ist sehr überschaubar. Schon ziemlich müde und kurz vor Sonnenuntergang fahren wir kurzerhand auf eine Piste und schlagen uns irgendwo in die Büsche. Natürlich dauert es nicht lange, bis der erste Hirte mit einer Herde Ziegen daherkommt. Dann noch einer mit Kühen. Offenbar haben wir unser Nachtlager direkt neben ihrem Übernachtungsplatz aufgeschlagen. Nach Einbruch der Dunkelheit bringen uns die Hirten einen Krug frischer Ziegenmilch. So lieb. Wir revanchieren uns natürlich mit Schokolade. Die Nacht ist dann nicht soooo ruhig wie gedacht, da dauernd irgendwelche Viecher zum Grüezi sagen vorbeikommen. Ausserdem sind wir etwas verwirrt, da überall in den Büschen Lichter zu sehen waren, die sich nicht gross bewegen. Hocken da überall Hirten? Das Rätsel hat sich dann am nächsten Morgen geklärt. Die Lichter sind Positionslichter der Esel, die da angebunden sind. Vermutlich, damit sie auch in der Nacht gefunden werden. Clever und ab jetzt wissen wir, leuchtet irgendwo nachts ein Licht, kann der nächste Hirte nicht soooo weit weg sein.

Am folgenden Tag geht es endlich wieder auf eine Piste. Ziel Sandkrokodile. Zuerst war ich ja etwas skeptisch, ob sich die lange Anreise wegen ein paar Krokodile wirklich lohnt. Auch wenn Krokodile in der Wüste natürlich per se schon etwas Spezielles sind. Aber das kleine Tal, in dem sich das Wasserloch mit den Krokodilen befindet, ist wunderschön und die Anreise lohnt sich allemal! Wir campieren am Eingang des Canyons und laufen zu einem Aussichtpunkt über den Krokodilen. Von da oben hat man einen genialen Blick. Irgendwie stelle ich mir so den Garten Eden vor. Neben den Krokodilen wohnen da jede Menge Vögel und Pavian Affen.

Ausserdem wird das Wasserloch von ganzen Karawanen von Eseln, Pferden und Kühen aufgesucht. Und dann sind da noch die Riesenheuschrecken. Wir haben schon gesehen, dass einige Bäume voll von diesen Viechern waren. Nach dem Essen habe ich mich über ein komisches Rauschen in der Luft gewundert und in den Himmel geschaut. Der war übersäht von fliegenden Heuschrecken. Keine Ahnung wie viele das waren aber minutenlang war der Himmel schwarz von den Viechern. Das müssen Millionen gewesen sein. War als ein sehr apokalyptisches Schauspiel.

Nach diesem kurzen Abstecher zu den Krokodilen startet unser Mauretanienabenteuer so richtig, denn wir nehmen die erste längere Offroadstrecke unter die Räder. Obwohl die Strasse auf der Karte weiss eingezeichnet ist, erkennen wir häufig kaum mehr irgendwelche Spuren und wir brauchen schon etwas Phantasie, um unseren Weg zu finden. Teilweise führt der Weg auch über richtige Sanddünen. An einem sehr sandigen Pass brauchen wir dann mehrere Anläufe und die Winde, bis wir beide oben angekommen sind. Dafür werden wir mit einem wunderbaren Campspot belohnt. Es dauert zwar auch hier wieder nicht lange, bis von irgendwo her ein Hirte kommt. Er bittet uns um Wasser und schaut dann zufrieden vor sich hin summend zu, was Martin da an seinem Auto rumwerkelt. Kurz vor Sonnenuntergang zieht er freundlich winkend weiter.

Auch für die weitere Strecke ist es teilweise eine Herausforderung, den richtigen Track zu finden. Teilweise wurde wohl ein neues Dorf gebaut, und die Piste führt nun in einem grossen Bogen rundherum. An anderen Stellen führt der Weg durch eine Weide, die mit Stacheldraht eingezäunt ist. Bei der Durchfahrt liegt der Draht zwar am Boden, einfach so drüberfahren wollen wir aber trotzdem nicht. Also kommen erstmal die Sandbleche in Einsatz. Wenigstens nicht für nix mitgenommen.

Nach einem kurzen Zwischenstopp mit Einkaufen und Tanken in Tiyakya geht es weiter Richtung Atar. Unser nächstes Camp schlagen wir in einem trockenen Flusslauf auf. Zwar nicht so weit weg vom nächsten Ort, wie wir bei der Anfahrt bemerken. Wir haben aber trotzdem eine ruhige Nacht. Vielleicht auch weil heute das Ende des Ramandan gefeiert wird. Schon den ganzen Tag haben wir gesehen, dass überall in den Dörfern die Kinder gebadet wurden und alle haben ihre schönsten Kleider ausgepackt. Wir sind gespannt, ob sich nach Ende des Ramadan für uns etwas ändert.

Eine wirkliche Einschränkung war der Ramadan bisher nämlich nicht für uns. Mittagspause machen wir eh irgendwo in der Natur, dort interessiert es niemanden, dass wir tagsüber essen. In den grösseren Touristenorten in Marokko waren durchaus auch Mittags Restaurants geöffnet. Einzig in der Westsahara war wohl noch mehr tote Hose wie sonst. In Boujdor hatten wir sogar fast etwas Mühe, ein offenes Restaurant zu finden. Als wir endlich eines gefunden hatten, gab es einfach das, was grad noch da war. Die typische Ramadansuppe, ein Omelett für jeden, Datteln, Brot und Tee. In vielen Restaurants wird der Ramadan auch zum Renovieren genutzt und sie bleiben den ganzen Monat geschlossen. Wir freuen uns aber auf jeden Fall darauf, auch mal tagsüber in ein Café sitzen zu können und dem Treiben zuzuschauen.

Für uns geht es weiter Richtung Atar. Da wir auf der neuen Teerstrasse gut vorankommen (obwohl die Strasse immer mal wieder durch Sanddünen eingenommen wird), haben wir uns spontan dazu entschieden, noch eine 200 Offroad-Kilometer Schlaufe anzuhängen und über den Tifoujar-Pass zu fahren.

Ein guter Entschluss, denn ich weiss ich wiederhole mich, die Landschaft ist wiederum grandios. Auch wenn es durch die vielen Kilometer in tiefsandigen Flussbeeten schon recht anstrengend für Mensch und Maschine ist.

Teilweise führt der Track durch Felder mit zwar kleinen aber recht fiesen Sicheldünen. Einmal nicht aufgepasst und falsch abgebogen und wir trohnen oben auf einer Düne und müssen buddeln. Pfffft… Aber irgendwann sind alle Schwierigkeiten gemeistert und wir schlagen unser Nachtlager an einem tollen Platz in einem Canyon auf und geniessen den etwas verfrühten Feierabend. Das ist denn auch der bis jetzt wohl ruhigste Platz der ganzen Reise. Nicht mal eine Ziege oder ein Esel sind zu hören. Toll!

Nun stehen «nur» noch die letzten 150 und nicht minder anspruchvollen Kilometer bis nach Atar auf dem Programm.

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